Site icon Blog für den Onlinehandel

Local Heroes: Buchhandlung Riemann vermarktet im Netz Kompetenz

Geht es um den Kauf von Büchern im Netz, denken die meisten an Amazon. Bereits vor einigen Jahren taxierte die GfK die Reichweite von Amazon im Online-Buchhandel auf rund 75 Prozent. Weltbild kam als Zweitplatzierter gerade noch auf einen Wert von etwa 30 Prozent, für den Rest (buecher.de, thalia.de, derclub.de) sah es dagegen mager aus. Seitdem dürften sich die Marktanteile eher noch zugunsten von Amazon verschoben haben. Vor allem stationäre Buchhändler haben im Online-Geschäft so gut wie keine Chance. Daher verwundert es auch nicht, dass sich der Großteil mit den Whitelabel-Onlineshops der Buch-Grossisten begnügt und nur wenig Energie in E-Commerce-Aktivitäten investiert.

Doch nicht jeder Buchhändler will sich mit dem Status quo abfinden: „Was Amazon anbietet – die Lieferung von Büchern über Nacht, das können wir Buchhändler schon seit 60 Jahren“, erklärt Irmgard Clausen, Inhaberin der Buchhandlung Riemann in Coburg. Schon früh hatte sich die Buchhändlerin mit den ersten Online-Lösungen der Großhändler beschäftigt und sich schließlich rund um die Jahrtausendwende für einen eigenen Webshop entschieden. Doch Clausen ist kritisch bei der Bewertung des eigenen Angebots: Es handele sich bestenfalls um eine mäßige Lösung, was vor allem daran liege, dass man als unabhängiger Buchhändler mit den zur Verfügung stehenden Katalogdaten deutlich hinter den von Amazon gesetzten Standards zurückbleibe. Mit der schieren Menge der über das Netz bestellbaren Titel und dem alleinigen Fokus auf dem Online-Verkauf von Büchern kann Riemann im Internet also kaum Punkten. Für Irmgard Clausen ist die Konsequenz daraus, auch online stärker auf die eigentliche Kompetenz ihrer Buchhandlung zu setzen: Die Leseleidenschaft ihrer Mitarbeiterinnen und deren große Erfahrung bei der Beratung von Kunden. „Wir sind 19 Buchhändlerinnen, wir lesen alle viel und tauschen uns auch darüber aus. Das ist ein großer Wissensschatz“, so Clausen.

Die Buchhandlung Riemann befindet sich in zentraler Lage am Coburger Markt

Online-Empfehlungen und Franken-Shop

Nutzbar gemacht wird dieses geistige Kapital zunächst im Rahmen von ständig wechselnden Leseempfehlungen auf der Homepage der Buchhandlung Riemann. Alle Mitarbeiterinnen sind dazu aufgerufen, ihre aktuellen Leseeindrücke in Kurzkritiken und Leseempfehlungen umzumünzen. Auf diese Weise gelingt es dem Büchergeschäft, ein zwar kleines, aber dafür kompetentes Gegengewicht zu den tausendfachen Buchrezensionen bei Amazon zu bieten.

Noch stärker zum Verkaufsargument gemacht wird die Sachkenntnis der Buchhändlerinnen bei dem im vergangenen Jahr gestarteten Schwester-Onlineshop „Franken und Co“. Angeboten werden dort regionale Literatur und Geschenkartikel aus Oberfranken und Südthüringen. „Entstanden ist der Shop aus der Erkenntnis, dass wir uns mit dem Gesamtspektrum überhaupt nicht positionieren können – ein Klassenprimus ist nun einmal nicht zu toppen“, erzählt Irmgard Clausen. „Womit man sich allerdings unterscheiden kann, das sind Nischen und Services. Und wir kennen uns nun einmal nirgendwo so gut aus wie in Coburg und Umgebung.“ Neben einem ausgewählten, auf die Region bezogenen Sortiment an Büchern, Filmen, CDs und Spielen gibt es im Shop von „Franken und Co“ auch Artikel, die sonst nirgends im Netz erhältlich sind: das Buch „1000 Wörter Grüberisch“ mit Redewendungen aus der Nachbargemeinde Grub am Forst oder zum Beispiel eine im Eigenverlag erschienen Veröffentlichung zur Geschichte der Coburger Juden. Allerdings muss Clausen einräumen, dass es sich dabei schon um das spitzeste Ende des „Longtails“ handelt und große Umsatzsprünge auf diese Weise nicht zu erzielen sind.

Schon früh hat sich Irmgard Clausen mit den Möglichkeiten des Internets für den stationären Buchhandels auseinandergesetzt

Beim Bücher-Abo wird Kompetenz „verkauft“

Im Rahmen der Online-Aktivitäten der Buchhandlung Riemann ist schließlich auch eine bereits viele Jahre alte Idee zu neuer Popularität gelang: das Bücher-Abo. „Kunden können dabei entweder sich selbst oder jemand anderem ein Abonnement für jeweils ein neues Buch pro Monat schenken“, erklärt Clausen. Nachdem zunächst abgeklärt werde, um was für ein Buchformat und welches Genre es sich handeln solle und welche Interessenlage der Empfänger habe, erhalte dieser für einen – beliebig verlängerbaren – Zeitraum von zunächst 6 Monaten bzw. einem Jahr jeden Monat ein liebevoll als Geschenk verpacktes Buch zugeschickt. „Wir haben eine Mitarbeiterin, die sich um das Bücher-Abo kümmert und die inzwischen Kunden in ganz Deutschland hat, diese aber oft noch nie persönlich kennengelernt hat“, berichtet Clausen. Einen Kunden gebe es, der das Abonnement sogar bereits seit 12 Jahren beziehe. „In Zeiten des Internet ist das Bücher-Abo sogar noch einmal erfolgreicher geworden“, erklärt die Riemann-Chefin.

Läuft auch online gut: Das Bücher-Abo von Riemann

Komplett überraschend ist diese Entwicklung nicht – wird doch beim Bücher-Abo konsequent das Merkmal im Netz vermarktet, das sonst niemand im Netz anbieten kann: die Beratungskompetenz der Coburger Buchhandlung. Während es im Geschäft vor Ort durchaus auf materielle Aspekte wie die Menge und das Sortiment der vorrätigen Bücher ankommt, wird online am erfolgreichsten die Servicestärke von Riemann – und damit ein immaterieller Wert – „verkauft“.

So clever der gewählte Ansatz der Buchhandlung ist, sollte dennoch nicht verhehlt werden, dass es sich dabei nur um einen Tropfen auf den heißen Stein handelt: Wie Irmgard Clausen berichtet, macht das Online-Geschäft nur einen kleinen Prozentteil der Umsätze von Riemann aus und fällt es vor allem schwer, die für den Erfolg der Web-Aktivitäten fortlaufend nötigen finanziellen und personellen Ressourcen bereitzustellen. Ein Blog, Buch-Tipps bei Twitter, die Ausweitung des Bücher-Abos auf E-Books – an möglichen Ideen mangelt es Clausen nicht. Doch so lange die riesige Reichweite von Amazon in der Wahrnehmung der Kunden dominiert, wird der Schwerpunkt für die Coburger Buchhandlung immer auf dem stationären Geschäft vor Ort liegen.

Unter dem Motto „Local Heroes“ veröffentlicht Shopanbieter.de in regelmäßiger Folge Beispiele für die gelungene Verknüpfung von Onlinehandel und stationärem Geschäft.

Zuletzt erschienen:

Exit mobile version