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Kostenloser Versand: Zugpferd oder Harakiri?

Weihnachtszeit ist die Zeit des "kostenlosen Versandes". Leider nicht bei den Logistik-Dienstleistern, die auch zu Weihnachten nicht von ihren Preisen abrücken.

Aber Shops werben um die Geschenke-Käufer ganz massiv mit dem Argument der Portofreiheit. Nicht zuletzt vermutlich, weil es "die Großen" vormachen. So hat eBay in diesem Jahr (neben einer Art Live-Shopping) die Versandkosten als DAS Hauptargument im Festtagsgeschäft erkoren: Zusätzlich zur Deckelung der Versandkosten in vielen Produktgruppen, erzeugt der Marktplatz-Riese weiteren Druck auf die Händler: Ein spezielles Logo und entsprechende Produktübersichten bewerben versandkostenfreie Produkte. Laut eBay wird mittlerweile bereits rund 20 % der Artikel versandkostenfrei verschickt. Besonders in den Kategorien Bücher, Computer, Foto und Mobiltelefone "grassiert" die Versandkostenfreiheit.

"Der Kunde ist König" freut sich eBay. So mancher Händler aber fühlt sich angesichts des Druckes "geknechtet" – und steht mit seinem flauen Gefühl nicht allein…

"Holiday Hit or Headache"* fragt sich beispielsweise David Wertheimer, Director of Strategy, Alexander Interactive angesichts des Trends zum "Gratisversand". Er zitiert Gegner dieser Methode mit dem Hinweis, dass die Arbeit, die Händler in Verpackung und Versand stecken, eine direkte Serviceleistung für den Kunden seien. Auf der Basis des amerikanischen Durchschnitts-Stundensatzes von $ 18,- plus Fahrtkosten berechnet er eine Ersparnis für den Kunden von $ 25,- pro Versand-Einkauf. Da seien $ 5,- bis $ 10,- Versandkosten ein ‚moderater‘ Preis für die Bequemlichkeit. In Preise eingerechnete Versandkosten seien ein Nullsummen-Spiel, das weder dem Händler noch dem Kunden helfe.

Aus genereller Wirtschaftlichkeits-Sicht rät auch Versandhandels-Guru Martin Groß-Albenhausen vom Gratisversand ab:

"Generell kosten die Versandkosten (Shipping & Handling) im Versandhandel zwischen 7 und 15 % des Umsatzes (nicht der Marge!). Der ‚Business Common Sense‘ sagt: Lasst die Finger davon."

Allerdings sieht er durchaus einen Wert darin, solche Angebote zeiltich limitiert oder an Bedingungen geknüpft anzubieten:

In Wettbewerbs-Zeiträumen wie Weihnachten mag es nötig sein. Letztlich muss der Versender hier scharf kalkulieren: Wieviele Retouren/Zahlungsausfälle etc. muss er tragen. Kann er z.B. bei einer relativ sicheren Zahlungsform die Versandkostenpauschale reduzieren? Kann er auf bestimmte Warengruppen oder bestimmte Preisgruppen oder bestimmte Mindestbestellwerte einen kostenlosen Versand ausloben?

Während aber eine zeitliche Befristung oder die Kopplung an einen bestimmten Warenkorb-Wert unproblematisch sind, ist die Beschränkung auf spezielle Warengruppen problematisch. Denn es ist Kunden kaum vermittelbar, dass bestimmte Waren kostenfrei versendet werden, packt er dann aber noch etwas aus einem anderen Produktsegment des Shopangebotes dazu, fallen plötzlich Versandkosten an. Auch wenn Amazon und verschiedene Versandapotheken diesen Weg gehen – auch in der internen Abwicklung ist dies ungünstig, werden doch in solchen Fällen vielfach intern zwei Bestellungen ausgelöst…

Groß-Albenhausen erinnert daran, dass Versandhandel eigentlich das "Führen des Kunden" sei. Und gibt damit einen guten Hinweis darauf, wie versandkostenfreie Lieferungen strategisch eingesetzt werden können: Nicht neu ist die Kopplung an Bestellwerte, die die Kunden dazu ‚führt‘, noch ein Produkt mehr in den Warenkorb zu legen. Ein anderes Ziel verfolgt Jako-o in diesem Jahr: Hier wird nur bis zum 8. Dezember versandkostenfrei versendet – eine prima Motivation, mit dem Geschenkekauf diesmal nicht "bis zum letzten Drücker" zu warten. So kann man im hektischen Jahres-Endgeschäft Bestellzeitpunkte steuern…

Denn an einam kommt man nicht vorbei: "Der kostenlose Versand ist ein exzellenter Verstärker – gerade zur Weihnachtszeit." betont auch Groß-Albenhausen. Und auf den können eben viele Händler nicht verzichten. So setzten in der "Holiday-Season" letztes Jahr 36 % der US-Versender bedingungslosen Gratis-Versand ein, dieses Jahr werden es bereits 41 % tun (Quelle: NRF’s Shop.org via USAtoday). "Während der Weihnachtssaison ist es fast schon zu normalen Businesskosten geworden. Aber es ist keine beliebte Werbeart, denn sie ist teuer.", kommentiert Executive Director von NRF’s Shop.org Scott Silverman diese Tatsache.

Doch die Kunden erwarten es so: 93 % der Frauen und 87 % der Männer in den USA sagten in einer Befragung, dass kostenloser Versand sie dazu motivieren werde, zu Weihnachten mehr zu kaufen, ergab das "Consumer Internet Barometer" des ‚Conference Board‘. Kein anderer Anreiz – ob spezielle Online-Angebote, Discounts oder Gutscheine waren dieser Untersuchung nach ähnlich motivierend.

Wertheimer gibt in seinem oben zitierten Artikel acht Tipps, wie man zum Weihnachtsgeschäft dem Dilemma trotzen kann:

Bestehende Versandkosten-Programme beibehalten.

  1. Wer normalerweise Versandkostenfreiheit ab einem bestimmten Warenkorbwert anbietet, sollte diese Grenzen jetzt nicht höher ansetzen.
  2. Anders als Shop.org meint Wertheimer, es sei keine massive Zunahme des unbeschränkten Gratis-Versandes zu erwarten.
  3. Alternative Versandarten fördern.
    Zu Weihnachten sind Kunden eher bereit, gegen Aufpreis Expresslieferungen u.ä. zu nutzen.
  4. Einheitliche Präsentation von Preisen und Versandkosten
    Kundensind preissensibel. Wer "Preisreiter" addressieren will, sollte sichergehen, dass seine Versandkosten eine ähnliche Botschaft senden, wie die Discountpreise.
  5. Produkt-Bundling und Cross-Selling nutzen, um die Bestellwerte zu erhöhen.
  6. Treueprogramme anbieten bzw. nutzen.
    Jede erneute Bestellung eines Kunden senkt die Kosten pro Verkauf!
  7. Das Marketing deshalb auch auf Wiederkehrer ausrichten.
    Z.B. duch den Versand von Feedback-Anfragen nach dem Kauf etc.
  8. Den Januar-Verkauf im Blick behalten.
    Viele Kunden kaufen erst im Januar, um besondere Schnäppchen zu erzielen oder Gutscheine einzulösen. E-Mail-Marketing und Ankündigungen auf der Site sollten die Kunden dazu aufrufen, im Januar wiederzukehren.

Und was rät Versandhaus-Experte Groß-Albenhausen? Könnte man statt des Gratisversandes beispielsweise als Anreiz bei der Nutzung einer vergleichsweise sicheren Zahlart einen Rabatt – z.B. "2% Skonto bei Direktüberweisung" – gewähren?

Nein. 2 % von was? Also die Idee an sich ist super, aber Sie wollen einen plakativen Verstärker. Da ist nunmal die VK-freie Lieferung besser als ein Prozentwert. Das ist alte Direktmarketing-Weisheit: Ein konkreter Betrag zieht besser als ein Rechenmodell!

Und wie halten Sie es?

Herzlich aus Hürth
Nicola Straub

*in etwa: "Weihnachtsverkaufs-Hit oder Kopfschmerz-Verursacher"

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