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Interview mit Martin Groß-Albenhausen, Versandhausberater

Den Protagonist unseres heutigen Interviews aus unserer Reihe "Leute des E-Commerce – 7 Fragen, 7 Antworten" kennen unsere Leser schon aus vielen interessanten Tipp-Beiträgen – vermutlich aber ohne es zu wissen: Martin Groß-Albenhausen ist nämlich Autor des immer wieder lesenswerten Newsletters des "Versandhausberaters", aus dem wir öfter gern und dankbar zitieren.

Dass der Versandhausberater immer wieder wertvolle Tipps und interessante Praxisbeispiele liefert, kommt nicht von ungefähr: Kaum einer verfügt in Deutschland über solch ‚intime‘ Kenntnisse der "Versandhändler-Szene" wie Groß-Albenhausen – und zwar über alle Kanäle hinweg!

1.) Was ist Ihr Kernprodukt/-thema im E-Commerce?

Für die "klassischen" Versandhändler ist der E-Commerce heute auf dem Weg zum wichtigsten Vertriebskanal. "Der Versandhausberater" unterstützt die Versender dabei, mit Augenmaß die neuen Techniken in ihre bestehenden Vertriebsstrategien einzubinden. Wer zusätzlich zum Onlineshop Kataloge, Call-Center, vielleicht sogar Filialen nutzt, muss bei jeder Aktivität mögiche Channel-Konflikte berücksichtigen und auf jeden Fall versuchen, das meiste für jeden bestehenden Kanal herauszuholen.

2.) Wer nutzt Ihr Angebot?

Wir haben trotz fast 50 Jahren im Markt noch immer eine wachsende Leserschaft. Unsere Kernzielgruppe sind die etablierten Versandhändler. Vom Branchenumsatz her gesehen, schöpfen wir diese Branche zu rd. 90 % aus. Allerdings lesen uns auch die meisten Teleshopping-Anbieter, viele Online-Händler und erfreulicherweise eine Menge junger Versandhändler (ich bin ja auch noch knapp unter 40). Auf der anderen Seite haben wir einen festen Abonnenten-Kreis bei den Dienstleistern, ob aus der Print- oder Adress-Branche, den Agenturen oder Logistik-Unternehmen.

3.) Was ist eine typische Konstallation/Problemstellung bei Ihren Nutzern, wenn sie zu Ihnen kommen?

Die meisten Versandhändler treibt heute die Integration der verschiedenen Vertriebswege um. Es gibt in vielen Unternehmen noch Silos, die daran hindern, das Potential voll auszuschöpfen. Wir können durch die intensive Marktbeobachtung Hinweise auf erfolgreiche Modelle geben. Klar, wir sind kein klassischer Berater oder eine Agentur, aber die Leser schätzen uns als Sparrings-Partner. Die Branche scheint ja nur überschaubar, ist aber doch sehr vielgestaltig und wird immer bunter. Wir helfen, den Überblick zu behalten, abzuwägen und dann zu wagen.

4.) Wo sehen Sie momentan noch die größten Defizite beim E-Commerce oder welche Angebote (Lösungen, Dienstleistungen) fehlen Ihnen noch?

Es gibt viele Angebote, für die das Problem fehlt! Damit meine ich, dass die Technik weit vorauseilt und bei vielen Anwendern noch gar kein Bedarf empfunden wird oder konkret in Angriff genommen werden kann. Sie dürfen eines nicht vergessen: Die meisten Versandhändler machen einen sehr guten Job und beherrschen ihre Kanäle hervorragend. Da schüttelt der eine oder andere vielleicht den Kopf, weil er selber keine Kataloge hat oder mag. Aber wenn ich sehe, dass ein Hiphop-Versender wie 77store.de einerseits in Communities wie Facebook oder MySpace aktiv ist, andererseits aber jeden Monat einen Katalog verschickt, dann ist das Printmedium alles andere als antiquiert. Deshalb haben viele Versender mit ihrem Kerngeschäft einerseits viel zu tun, andererseits aber auch dort schon viel messbares Optimierungspotential.

Einen wirklich guten Web 1.0-Shop samt zielgruppengerechtem und mit der Printwerbung verknüpften Kampagnenmanagement zu betreiben, das ist verdammt anspruchsvoll. Und dann über Web-TV, Blogs, Communities, Mobile Commerce etc. nicht nur allgemein strategisch sondern konkret und projekt-bezogen nachzudenken, das ist für viele der kleineren, profitablen, rund laufenden Versandunternehmen schwer zu stämmen.

Ich bin manchmal richtig überrascht, wie aktiv unsere Branche da tatsächlich schon ist, und zwar jenseits der reinen Web 2.0-Startups. Ich kann ihnen z.B. viele kleinere Spezialversender im B2B und B2C nennen, die jetzt schon mit Videos arbeiten.

5.) Wohin geht Ihrer Meinung nach die Entwicklung in nächster Zeit, speziell in Ihrem (E-Commerce-)Bereich?

Zunächst einmal: Optimierung des Kerngeschäfts. Also die Shops so organisieren und überarbeiten, dass SEO und SEM optimal funktionieren, Affiliates wo möglich gut eingebunden werden, bei vielen erstmals Zielgruppen für das e-Mail-Marketing feiner segmentiert werden können. Dann werden viele damit experimentieren, wie sie die Katalog-Rhythmen mit dem steigenden Online-Aufkommen so justieren, dass am Ende die Werbung effizienter wird bzw. der Umsatz pro Werbe-Euro sich erhöht. Außerdem werden wir auf jeden Fall mehr Multichannel-Ansätze bis hin ins Filialgeschäft sehen. Da gibt es derzeit viele Tests. Schließlich ist der gesamte Versandhandel zusammen nur 7-10 % des Einzelhandels. Wer ein starkes Konzept hat und das gut in eine Zielgruppe hinein positionieren kann, denkt natürlich über die anderen 90 % nach. Vor 10 Jahren habe ich für diese Forderung noch viel Kopfschütteln geerntet. Heute ist das ein echtes Thema.

Jetzt werden Sie sicher fragen: Und was ist mit den neuen Trends? Wie gesagt, viele Versender testen jetzt schon Videos im Shop. Produktbewertungen und -empfehlungen gehören heute zu einer weit verbreiteten Pflichtübung in den Onlineshops. Es gibt einige interessante Communities, auch wenn man fairerweise feststellen muss: Eine hart scorbare "Zielgruppe" produziert aus einem Katalog heraus enorme Response und verschafft dem Versender sogar noch tolle Markenbekanntheit – ganz ohne Blogs, Tags & Co. Aber die Spezialversender beschäftigen sich intensiv mit der Frage, wie sie "Social Media" in ihre Werbestrategien einpassen können. Mit Woot-Konzepten wird da und dort experimentiert, die Kooperation mit Tradoria, smatch.com oder auch handeln.de ausprobiert. Mit anderen Worten: Die Versandhändler schlafen nicht – aber sie wissen auch, wo sie im Moment bei den ohnehin nicht eben üppigen Margen Geld verdienen können.

6.) Ein Shopbetreiber nimmt sich heute einen halben Tag Zeit, seine Site/sein Angebot einmal bezüglich Optimierungsbedarfs zu überprüfen. Was ist Ihr Tipp, was er sich heute mal konkret angucken sollte? ("4-h- Optimierungstipp" oder auch 8-h-…?)

Da mache ich mal einen kleinen Stundenplan:

7.) Wie sind Sie zum E-Commerce gekommen, was fasziniert Sie im E-Commerce am meisten/macht Ihnen am meisten Spaß?

Ein Onkel war in einem großen norddeutschen Versandhaus beschäftigt und sagte mir vor 15 Jahren (da war er fast pensioniert), dass die Zukunft sich im Internet abspielen werde. Damals war Amazon nur was für Insider! So habe ich angefangen, mich mit Online-Aktivitäten für Verlage zu beschäftigen. Naja, und heute haben wir eine gut besuchte Seite, einen e-Newsletter, eine XING-Gruppe, ich schreibe ein Blog, die meisten Abos gewinnen wir im Internet – aber noch immer ist das Kerngeschäft ein 8-Seiter aus Papier (und wir bekommen massiven Ärger, wenn der nicht am Montag morgen auf dem Schreibtisch liegt).

E-Commerce fasziniert mich, weil man dort viele Dinge machen kann, die weder im Katalog noch im Laden möglich sind. Aber das ist auch der Grund, warum ich gerne in Katalogen blättere und in der Stadt durch Geschäfte gehe. Und wenn man mich fragt, was mir am meisten im Internet Spaß macht: Mit anderen zu reden, diskutieren, Tips und Informationen auszutauschen.

Und die Zusatzfrage: Welche Webseiten besuchen Sie momentan am liebsten?

www.xing.com, www.jogmap.de (Ein Web 2.0-‚Muss‘ für Leute, die gerne laufen), http://news.google.de und diverse Blogs, z.B. Jochen Krisch’s excitingcommerce.com, das Brainwash-Blog (Robert & Horst), Thorsten Boersmas "Zwischendurch"…

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