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Warum asiatische Marktplatz-Händler Dumping-Preise anbieten können

Über 800 Millionen Euro entgehen dem deutschen Fiskus Jahr für Jahr – weil Marktplatz-Händler aus Asien auf Amazon und Ebay massenhaft Produkte verkaufen und dabei weitgehend ungestraft die Umsatzsteuer hinterziehen. Während die deutsche Politik noch in Ausschüssen berät, was in der Angelegenheit zu tun sein könnte, führen die deutschen Verkäufer einen existenzbedrohenden Kampf gegen asiatische, Umsatzsteuer-befreite Kampfpreise.

Angebot eines asiatischen Händlers auf Amazon: Die Adresse ist im Impressum zu finden, eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dagegen nicht.

Auf großen, international tätigen Marktplätzen wie Amazon und Ebay geraten Online-Händler zunehmend unter Preisdruck durch Konkurrenz aus Fernost: Vor allem in den Kategorien Accessoires, Haus & Garten sowie Elektronik werben asiatische Unternehmen mit unschlagbaren Kampfpreisen um die deutsche Kundschaft. Wie Internetworld.de berichtet, liegen die Gründe für die Dumping-Angebote nicht nur in geringeren Produktionskosten und niedrigeren Löhnen – sondern auch in der geringen Durchsetzungsfähigkeit der deutschen Finanzämter.

Denn die Händler aus China, Hongkong und anderswo hinterziehen bei ihren Geschäften in Deutschland die Umsatzsteuer – und zwar reihenweise und systematisch. Rund 800 Millionen Euro schmuggeln Marktplatzverkäufer aus Fernost Jahr für Jahr am deutschen Fiskus vorbei, schätzt Mark Steier, Betreiber des E-Commerce-Branchendienstes Wortfilter.de, der die Warenwerte und Umsätze der Asiaten analysiert hat.

5.500 Händler aus Asien verkaufen bei eBay.de, 5.100 bei Amazon.de, hat Wortfilter gezählt. Ein genauerer Blick ins Impressum deckt die Steuersünder unter ihnen schnell auf: Fehlt eine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, dann sind die Händler bei keinem deutschen Finanzamt gemeldet – und damit ist eine Steuerhinterziehung denkbar bis wahrscheinlich. Laut Steier trifft das auf „99,8 Prozent der asiatischen Händler“ zu.

Tatsächlich sind von den genannten Händlern nur knapp 400 beim Finanzamt Berlin-Neukölln registriert, das eigentlich für die Besteuerung von Händlern aus Asien zuständig ist. Und von diesen knapp 400 Unternehmen geben rund 80 Prozent Umsatzsteuererklärungen ab, so der Bericht. Der Rest des ausländischen Umsatzes auf deutschen Marktplätzen verschwindet im Nirwana, oder besser gesagt: vornehmlich in China und Hongkong.

Dort existiere nämlich defacto „derzeit keine praktikable Rechtshilfe in Steuerstrafsachen“, so die Behörde auf Nachfrage.  Einer von mehreren Gründen: In China werden Wirtschaftsstraftaten mitunter mit der Todesstrafe geahndet. Da fällt es den Deutschen schwer, Amtshilfe gegen Steuerbetrug zu fordern. Und die Asiaten handeln munter weiter in Deutschland – mit Produkten, deren Endpreis um 19 Prozent unter dem Angebot der deutschen Konkurrenz liegt.

Großbritannien bittet die Marktplätze zur Kasse

Auch von den Marktplätzen selbst ist wohl, da wirtschaftlich orientierte Unternehmen, erstmal nicht viel Hilfe zu erwarten. Amazon hat hier beste Argumente, um sein „Fulfillment by Amazon“ (FBA)-Angebot mitzuverkaufen – damit können die asiatischen Unternehmen ihre Produkte in Deutschland einlagern und bei den deutschen Kunden mit kurzen Lieferzeiten punkten. Und eBay umwirbt in Asien scheinbar gerade besonders offensiv Online-Händler mit Seminaren über Verkaufszahlen und günstige Kredite von chinesischen Banken, Dokumentensammlungen zur Planung des Auslandsgeschäfts oder der direkten Empfehlung von deutschen Fulfillmentpartnern.

Wie strategisch sinnvoll es ist, Händler aus verschiedenen Ländern auf einer Plattform gegeneinander antreten zu lassen, ohne dafür zu sorgen, dass für alle die gleichen, gesetzlich vorgeschriebenen Regeln gelten, sei dahingestellt. Gleichzeitig sorgen diese Händler aber auch für vielfachen Unmut bei den Amazon- und ebay-Kunden selbst. Diese kaufen oft unabsichtlich bei den sog. China-Händlern ein und ärgern sich dann. Als kundenzentriertes Unternehmen, würde ich das nicht wollen! 

Ganz und gar nicht fraglich ist dagegen die Rolle des deutschen Fiskus. Der sollte doch gegen die Steuersünder vorgehen, tut aber faktisch (fast) nichts. „Nach meiner festen Überzeugung laufen die 600 deutschen Finanzämter der gesamten Online-Entwicklung vermutlich um Jahre hinterher“, schimpft deshalb Thomas Eigenthaler, Bundesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft.

Dabei wären die Finanzämter den gewieften Tricks der asiatischen Steuerbetrüger keineswegs hilflos ausgeliefert, wie ein Blick nach England zeigt: Dort haben die Behörden seit etwa einem Jahr per Gesetzesbeschluss das Recht, die Online-Marktplätze selbst für die Steuersünden ihrer Verkäufer haftbar zu machen – und die hinterzogene Umsatzsteuer notfalls Amazon und Ebay direkt in Rechnung zu stellen, wenn die ausländischen Händler sich einen schlanken Fuß machen.

Das Ergebnis: Seit Einführung der Maßnahme ist die Zahl der Registrierungen zur Umsatzsteuer von ausländischen Händlern sprunghaft angestiegen. Das britische Finanzministerium erwartet bis 2021 fast eine Milliarde Euro an Mehreinnahmen. Mehreren Gutachten von Finanz- und Steuerrechtsexperten zufolge könnte auch der deutsche Fiskus die Online-Marktplätze direkt in Sachen Umsatzsteuer zur Kasse bitten. Aber die Politik hält sich noch zurück: Man hat nun zunächst einen Ausschuss eingerichtet, der die Sachlage prüfen soll.

Und bis etwas geschieht, müssen deutsche Online-Händler weiterhin mit den umsatzsteuerfreien Dumping-Preisen von Anbietern aus Fernost konkurrieren. Ganz machtlos sind aber auch sie nicht: Wortfilter-Mann Mark Steier rät Händler bei den Berliner Finanzbehörden Anzeige gegen die asiatischen Konkurrenten zu erstatten, um die Aufmerksamkeit für das Problem zu erhöhen und so hoffentlich auch die E-Commerce-Verbände auf den Plan zu rufen.

„Die Steuern“, so Steier gegenüber Internetworld.de, „sind ja nur ein Problem, aber die Händler aus China und Asien müssen sich auch nicht um Gewährleistungspflichten, Verpackungsrichtlinien und andere Regeln kümmern, die hier Kosten und Aufwand verursachen.“

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