Händler im Gespräch: Gabriele Fröbel-Schach von der mergedmedia AG
Die mergedmedia AG ist seit vielen Jahren mit 11 eigenen Onlineshops selbst Onlinehändler. Das dadurch erworbene Know-how lässt sie in ihre Projekte einfließen, unterstützt Online-Händler auch als Dienstleister und gibt ihren Kunden praxisnahe Impulse. Im Interview für unser Magazin erläutert Gabriele Fröbel-Schach, Verantwortliche für das Channel-Marketing, auf Basis ihrer mannigfaltigsten Erfahrungen Wissenswertes zum Thema Vertrieb über Marktplätze.
Amazon und eBay im Fokus
Seit wann nutzen Sie Marktplätze als Absatzkanal und was kam bei Ihnen zuerst – der Vertrieb über eBay, Amazon & Co oder der eigene Onlineshop?
Seit Anfang 2009 verkaufen wir über Marktplätze. Bei unseren Projekten wurde zunächst der eigene Onlineshop entwickelt und vermarktet. Dieser hat eine zentrale Aufgabe in der Verwaltung unserer E-Commerce-Prozesse und bildet die Basis, um unsere Produktdaten auch in andere Kanäle, u. a. Marktplätze zu übermitteln.
Unsere Aktivitäten sind hauptsächlich auf Amazon und eBay gerichtet. Als Händler umwerben uns auch regelmäßig Vertriebsmitarbeiter kleinerer Marktplätze. Wichtig war für uns, nicht nur auf die beiden Big-Player zu setzen, sondern auch die Möglichkeiten anderer Marktplätze kennen zu lernen. Seit 2012 eröffneten wir verschiedene Händlershops bei Rakuten, Hitmeister, Yatego, Kauflux und Auvito.
Was hat sich aus Ihrer Sicht seit Ihren Anfangstagen hinsichtlich des Verkaufs über Marktplätze verändert?
Bei der Sichtbarkeit in Suchmaschinen gibt es ein extremes Gefälle zwischen Amazon, eBay und anderen Marktplätzen. Das wirkt sich ebenfalls auf die Sichtbarkeit der gelisteten Artikel, Traffic und Conversions in den Portalen aus. Während wir bei Amazon und eBay gute Umsätze erzielen, erfüllten sich unsere Erwartungen an die anderen Marktplätze bislang nicht. Trotz guter Serviceleistungen und Unterstützung der Händler, können sich viele Marktplätze hierzulande neben Amazon und eBay nicht behaupten. Vor allem Amazon wächst in einem rasanten Tempo und ist für Onlinekäufer eine zentrale Anlaufstelle für Produktsuchen. Ca. 30% der Produktrecherchen gehen inzwischen von Amazon aus. Selbst Rakuten, die sehr stark in Asien agieren und noch vor wenigen Jahren auch in Europa ein starkes Wachstum für ihren Marktplatz verkündeten, finden den Anschluss an Amazon nicht.
Unsere Aktivitäten haben wir auf den schwächeren Marktplätzen inzwischen wieder eingeschränkt. Der administrative Aufwand für den Betrieb der Händlershops steht in einem ungünstigen Verhältnis zu den erzielbaren Umsätzen.
Dennoch verfolgen wir weiterhin die Entwicklungen auf allen Marktplätzen. Immer mal wieder gelingt es kleineren Marktplätzen den Markt zu durchdringen, Verbraucher mit innovativen Ideen zu überraschen. Beispiele hierfür sind dawanda.com und etsy.com, die auf Kunst, Handgemachtes, besondere Stile setzen und neben den beiden Big Playern eine Nische belegen. Auch streben fortlaufend Marktplätze anderer Länder auf den deutschen Onlinemarkt z.B. alibaba.com aus China. Damit eröffnen sich für Händler auch immer wieder neue Perspektiven, auch für den Weg in fremde Märkte.
Marktplätze stellen hohe Anforderungen an ihre Händler
Welche Unterschiede zwischen den einzelnen Marktplätzen stellen Sie fest?
Wesentliche Unterschiede zeigen sich im Umsatzpotential, Anforderungen an die Händler und dem administrativen Aufwand, um Produkte anzubieten.
Erfahrungsgemäß sind o.g. Kriterien bei Amazon und eBay am stärksten ausgeprägt. Das verwundert nicht, denn nur durch hohe Maßstäbe sichern diese Marktplätze ihren Kunden ein maximales Einkaufserlebnis und sind für Händler ein attraktiver Absatzkanal.
Wer langfristig bei Amazon und eBay verkaufen möchte, muss eine reibungslose Logistik, umfassende Verfügbarkeit der Waren, kurze Lieferzeiten, Top-Kundenservice, Rechtssicherheit und eine hohe Datenqualität gewährleisten. Unsere Erfahrungen zeigen, dass Amazon und eBay bereits nach einzelnen Verzögerungen bei der Lieferung oder Stornos wegen fehlender Ware Verwarnungen aussprechen. Gelingt es nicht, beanstandete Mängel zeitnah abzustellen, wird der betroffene Händleraccount gesperrt. Der Prozess zur Reaktivierung ist aufwendig.
Bei kleineren Marktplätzen sind die Prozesse oft weniger ausgereift, teilweise auch nicht auf einem aktuellen technischen Stand. Auch Auflagen und Restriktionen für Händler sind hier deutlich seltener anzutreffen als bei den beiden Großen. Die Administration der Accounts ist hier aufgrund eingeschränkter technischer Möglichkeiten oft nicht effizient. So gibt es beispielweise keine ausreichenden Schnittstellenlösungen für den Datenaustausch, Zahlarten werden teilweise nur eingeschränkt unterstützt und vieles muss manuell gesteuert werden. Dadurch steigt der Aufwand für den Händler, während das Umsatzpotential andererseits eingeschränkt bleibt. Hier ist es ratsam, genau zu prüfen, welcher Aufwand und welches Potential tatsächlich im Verkauf bei einzelnen Marktplätzen liegen.
Anders als bei eBay, Rakuten und Yatego treten Amazon und Hitmeister auch selber als Verkäufer auf und sind daher nicht nur Marktplätze, sondern auch Wettbewerber für die Händler. Amazon genießt bei den Verbrauchern natürlich einen Vertrauensvorsprung. Produkte, die Amazon selber im Sortiment führt, verkaufen sich für Händler erfahrungsgemäß schwerer ab.
Unterschiede gibt es auch in der Ausrichtung von Marktplätzen. Neben den Allroundern, die Waren aller Kategorien zulassen, gibt es Marktplätze, die auf spezifische Sortimente oder Zielgruppen wie B2B ausgerichtet sind, z.B. Dawanda.com, restposten.de oder Mercateo.com.
Produktauswahl ist eine Frage der innovativen Strategie
Welche Sortimente, welche Produktarten sind aus Ihrer Sicht am vielversprechendsten für den Verkauf über Marktplätze?
Wir verkaufen in verschiedenen Segmenten: Gartenmöbel, Saunen, Bettwaren, Heimtextilien und Bekleidung. In jedem dieser Segmente gibt es Renner und Penner. Bei Amazon, Rakuten und Hitmeister laufen Gartenmöbeleinzelstücke und Saunenzubehör. Zurückhaltender sind die Käufer bei hochwertigen Gartenmöbelsets, Saunen und Matratzen. Bei erklärungsbedürftigen Waren wünschen Kunden vor der Kaufentscheidung häufig eine Beratung. Bei eBay lassen sich B-Ware-Artikel und Restposten gut absetzen.
Welche Produkte sich auf Marktplätzen gut verkaufen ist vor allem eine Frage innovativer Produktstrategien. Onlinekäufer sind heute für viele Optionen offen. Bei Amazon und eBay gibt es in jeder vorstellbaren Warengruppe Angebote. So kauft man neben Büchern, Bekleidung, Haushaltswaren, Elektronik heute auch Frischwaren, Medikamente und fast alle Dinge des täglichen Bedarfs über das Internet.
Amazon und eBay sind starke Plattformen, um potentielle Kunden zu erreichen. Die Herausforderung ist, Waren auszuwählen, die andere in dieser Form nicht anbieten, die aber dennoch im Interesse der Käufer bzw. spezieller Zielgruppen liegen. Was sich augenscheinlich gut verkauft, versuchen unzählige Anbieter zu verkaufen. Der Wettbewerb ist hoch, die Preise im freien Fall. Das kann Händler ruinieren.
Es kommt darauf an, sein Sortiment kreativ aufzustellen. Da gibts das Sauna-Starterset, das mit Anleitung, Saunakübel, -düften und -kelle, zu einem beliebten Geschenk im Weihnachtsgeschäft wird. Da ist die Teemanufaktur, die aus dem 0815-Produkt Tee eine prima Geschenkidee kreiert und ausgewählte Teesorten aus aller Welt, fair gehandelt, in einer schönen Box anbietet. Der erfahrene Einkäufer von Bettwaren, der durch seine langjährigen Beziehungen zu Herstellern an besondere Bettwäsche mit einzigartigen Prints gelangt u.v.m.
In unserer Praxis mit Marktplätzen erleben wir immer wieder, dass Kunden Produkte suchen, die für uns zunächst eine geringe Priorität haben. Im letzten Jahr hatten wir ein Klopfmassagegerät auf Lager, was bis dato nur einmal verkauft wurde (wir waren nicht die Günstigsten). Dann gab es einen Fernsehbeitrag, wo dieses Klopfmassagegerät positiv erwähnt wurde. Sprunghaft stieg die Nachfrage an. Wir bestellten sofort weitere Geräte beim Hersteller und bekamen diese geliefert. Kurz darauf gab es beim Hersteller aufgrund der unerwarteten Nachfrage einen Lieferengpass und wir waren bei Amazon und eBay der einzige Händler mit diesem Produkt. Binnen von 2 Tagen hatten wir alle Klopfmassagegeräte zu einem guten Preis ab verkauft, lange bevor andere Händler wieder nachbestellen konnten.
Um gut gehende Produkte zu finden, ist neben akribischer Marktbeobachtung stetiges Austesten wichtig. Verschiedene Produkte anbieten, schauen was angenommen wird und wo der Wettbewerb überschaubar ist. Der Schlüssel für einen erfolgreichen Verkauf liegt darin, Nischen zu finden, ein gutes Gespür für Trends zu entwickeln, Beratung und Kundenservice zu sichern, gute Beziehungen zu Lieferanten und Herstellern zu pflegen, schnell und flexibel auf aktuelle Gegebenheiten zu reagieren.
Prozesse sind die Basis für den erfolgreichen Marktplatz-Verkauf
Was sind aus Ihrer Erfahrung heraus die größten Herausforderungen, was wird am häufigsten unterschätzt? Wo machen Online-Händler die meisten Fehler beim Vertrieb über Marktplätze?
Der Vertrieb auf Marktplätzen ist keine Nebensache. Jeder Händlershop auf einem Marktplatz muss mit der gleichen Sorgfalt wie der eigene Onlineshop betreut werden. Je nachdem, auf wie vielen Marktplätzen der Händler vertreten ist, kann dies einen hohen administrativen Aufwand verursachen.
Im Gegensatz zu einem eigenen Shop akzeptiert und übernimmt der Händler bei Vertragsabschluss die Regeln des Marktplatzes für den Handel. Häufig erfordert das eine Umstellung bzw. Optimierung der eigenen Prozesse. Die Vorgaben der Marktplätze zielen auf eine starke Verkäuferleistung. Wichtige Parameter dabei sind Beschaffung, Lagerhaltung, Versand, Kundenservice, Retouren- und Reklamationsmanagement, Rechtssicherheit sowie Artikeldatenpflege.
Wie bereits angemerkt, sind Amazon und eBay besonders restriktiv gegenüber Händlern, deren Verkäuferleistung unzureichend ist. Ein Ausschluss aus dem Marktplatz kann Händler empfindlich treffen. Umso wichtiger ist hier ein sorgfältiges Prozessmanagement.
Je mehr Marktplätze bedient werden, umso wichtiger wird auch das Bestandsmanagement. Bei Produkten mit niedrigem Lagerbestand kann es zu Überverkäufen kommen, wenn diese auf mehreren Marktplätzen und dem eigenen Shop zeitnah verkauft werden. Hier sollten die Warenbestände in engen Zeitintervallen an alle Plattformen übermittelt und mit Bestandspuffern gearbeitet werden.
Wir selber arbeiten im Bettwaren- und Gartenmöbelbereich auch mit Dropshipping. D.h. die Waren werden erst bei Order eines Kunden beim Lieferanten angefordert. Grundsätzlich können solche Waren bei Marktplätzen angeboten werden, die rechtzeitige Auslieferung an die Kunden muss aber zwingend sichergestellt werden. Daher ist dieses Modell nur bei zuverlässigen Lieferanten zu empfehlen.
Auch die Fragen der Rechtssicherheit erweitern sich mit der Ausdehnung der Händleraktivitäten auf Marktplätze. Händler sind verpflichtet, rechtskonforme AGBs, Widerrufserklärung und Impressum bei den Marktplätzen zu hinterlegen. Ebenfalls müssen die Artikeldaten rechtlichen Anforderungen entsprechen (u. a. gesetzliche Vorgaben in den verschiedenen Produktsegmenten z.B. Textilkennzeichnungsverordnung, Lebensmittelinformationsverordnung, Grundpreisangaben, Batterienverordnung). Werden Produktfotos, Texte oder Videos von Herstellern verwendet, so ist sicherzustellen, dass die Hersteller der Verwendung ihrer Materialien auf Portalen Dritter zustimmen oder generell eine Listung ihrer Marken bei Amazon & Co. zulassen. Tragen Produkte Testsiegel, müssen diese gültig sein. Läuft ein Testsiegel für ein Produkt ab, muss die Kennzeichnung in allen Produktdaten, auf allen Kanälen entfernt werden.
Eine weitere Herausforderung ist die Artikeldatenpflege über mehrere Kanäle hinweg. Jeder Marktplatz hat eine eigene Katalogstruktur, stellt spezifische Anforderungen an die Kategorisierung der Produkte und die Zuweisung von Merkmalen (z.B. Farben, Materialien, technische Daten). Um Produkte automatisiert in den Katalogen der Marktplätze einzugliedern und dort gefunden zu werden, müssen eigene Artikeldaten den Anforderungen der Marktplätze angepasst werden (sogenanntes Datenmapping). Dafür pflegen wir als Händler häufig, zusätzlich zu den eigenen Kategorien und Merkmalen, angepasste Informationen für diverse Marktplätze. Anfangs taten wir dies für alle Marktplätze. Inzwischen orientieren wir uns vorwiegend an Amazon und optimieren unsere Artikeldaten nach deren Styleguides. Eine optimale Lösung für jeden Marktplatz zu erreichen ist aufgrund des damit verbundenen Aufwandes in der Praxis kaum möglich.
Klare Marktplatz-Strategie notwendig
Welche Tipps und Handlungsempfehlungen können Sie Online-Händlern mitgeben?
Aus unserer Erfahrung ist im modernen E-Commerce der Multi-Channel-Gedanke eine bedeutende Säule. Menschen nutzen für die Beschaffung verschiedene Wege. Händler sollten ihrer Zielgruppe an verschiedenen Stellen im Internet und stationär begegnen. So auch auf den beliebten Marktplätzen.
Wägen Sie sorgfältig ab, welche Aktivitäten Ihren Geschäftszielen am besten entsprechen. Wie beschrieben, gibt es bei Marktplätzen deutliche Unterschiede im Kosten-Umsatzverhältnis. Können Sie die Prozesse nicht gewährleisten, kann das zu einem dauerhaften Ausschluss aus Marktplätzen führen. Auch der Wettbewerb auf Marktplätzen und der Preiskampf darf nicht unterschätzt werden. Wenn die Margen im Preiskampf verloren gehen, sollte man ggf. Abstand von dem Verkauf betroffener Produkte nehmen, die Produktstrategie überdenken und neue Nischen ausloten.
Auf kleineren Marktplätzen ist das Absatzpotential häufig eingeschränkt. Interessant können Sie dennoch für bestimmte Geschäftsziele sein. Rakuten bietet beispielsweise einen sehr guten Händlerservice und eine solide, technische Plattform. Hier können Händler, die keinen eigenen Onlineshop entwickeln und unterhalten wollen, mit einem Mietshop in das E-Commerce einsteigen. Zwar ist die Flexibilität in der Ausgestaltung von Prozessen und Daten geringer wie bei einem eigenen Shop, dennoch sind die Funktionalitäten für den Start meist ausreichend.
Bei Konditionen und Vertragslaufzeiten der einzelnen Marktplätze lohnt es sich in Verhandlung zu treten. Hier sind kleinere Marktplätze oft bereit, Händlern mit Aktionsangeboten entgegen zu kommen.
Nutzen Sie auch die Beratungsangebote der Marktplätze: Persönliche Betreuer, Webinare und Händlerkongresse können wertvolle Impulse für Ihren Onlinehandel geben.
Die vollständige Ausgabe mit allen Artikeln, kann hier kostenlos als PDF-Datei heruntergeladen werden.
Bitte beachten: Der Original-Artikel im Magazin, enthält möglicherweise hilfreiche Grafiken, Abbildungen oder Charts, die hier nicht dargestellt werden.
Gabriele Fr�bel-Schach realisiert seit 14 Jahren Webprojekte und verantwortet das Channel-Marketing bei der mergedmedia AG. Sie vermarktet sowohl die Produkte der eigenen Onlineshops wie auch die der Kunden. Die mergedmedia AG bietet alle Leistungen rund um das Thema E-Commerce vom Shopaufbau �ber �gefunden werden in Google�, Online-Marketingma�nahmen bis zu Lager- und Logistikleistungen. Webseite: http://www.mergedmedia.de |