In unserer Artikelserie Local Heroes haben wir bereits über die Partnermodelle berichtet, die die Onlinehändler Mister Spex und NeueTischkultur.de für den stationären Handel entwickelt haben. Dass auch das Online-Geschäftsmodell Re-Commerce Partnern im Einzelhandel wichtige Mehrwerte bieten kann, zeigt das Beispiel des Elektronik-Ankäufers Flip4New.
Der Privatverkauf von Gebrauchtgütern gehört dabei seit den Anfangstagen des E-Commerce zu den beliebtesten Handelsfunktionen im Netz. Ein stationäres Geschäftsmodell wurde daraus erstmals mit dem Aufkommen der eBay Verkaufsagenten rund um die Jahrtausendwende. In den letzten Jahren brachte eine Reihe von Internet-Anbietern, die auf den Ankauf von Unterhaltungselektronik-Artikeln und Medien setzen, neuen Wind in den Handel mit Gebrauchtwaren. Eigene Filialen haben die unter dem Etikett „Re-Commerce“ zusammengefassten Online-Ankäufer bisher nicht eröffnet, doch haben fast alle Marktteilnehmer Partnerschaften mit stationären Händlern geknüpft.
Einer der größten Re-Commerce-Anbieter ist das auf Elektronikartikel spezialisierte Flip4New aus dem hessischen Friedrichsdorf. Dabei verstand es das 2009 gegründete Unternehmen, prominente Sponsoren anzuziehen: 2010 investierte Xing-Gründer Lars Hinrichs in Flip4New und 2012 stieg der Elektronik-Gigant Media-Saturn mit einer Minderheitsbeteiligung bei dem Online-Ankäufer ein.
Große Resonanz im Handel
Die Elektromarktkette Saturn zählte 2010 auch zu den ersten stationären Partnern von Flip4New. „Ursprünglich sind wir als reiner Online-Anbieter gestartet, der nicht nur Altgeräte in Zahlung nimmt, sondern anfangs auch noch Neuprodukte verkauft hat“, erzählt Flip4New-Geschäftsführer Michael Sauer. Schnell habe man aber erkannt, dass man mit der Fokussierung auf den Ankauf die besseren Marktchancen besaß – und dass sich auch Händler – sowohl im Online-Bereich wie im Retail-Geschäft – für das Re-Commerce-Modell interessierten. Graduell habe Flip4New daher das Partnergeschäft ausgebaut und arbeite heute mit mehr als 25 zumeist namhaften Partner zusammen. „Dazu zählen neben Saturn – wo bereits über 100 Märkte den Ankauf über Flip4New anbieten – zum Beispiel die Apple-Reseller Gravis und mStore, Onlinehändler wie Cyberport und Weltbild, aber auch eBay“, berichtet Sauer. Als exklusiver Partner habe Flip4New für den Online-Marktplatzbetreiber eine eigene Verkaufsoberfläche entwickelt. Unter dem Namen „eBay Sofort-Verkauf“ werden dabei Kunden adressiert, die ihre Gebrauchtgeräte nicht per Festpreis-Angebot oder Online-Auktion, sondern direkt und unmittelbar verkaufen möchten.
Für den Flip4New-Gründer liegt auf der Hand, warum das Geschäftsmodell seines Unternehmens im Handel auf so große Resonanz stößt: „Wir geben den Kunden Geld in die Hand, das diese sofort wieder ausgeben können“, so Sauer. Und in der Regel werde der mit dem Altgeräte-Verkauf eingestrichene Betrag nicht irgendwo, sondern gleich an Ort und Stelle in den Kauf neuer Elektronik- und Zubehörartikel investiert. Einen besonderen Kick erhalte das Modell im stationären Handel: „Bei Saturn kommen die Kunden mit einem gebrauchten Gerät in den Markt, erhalten dafür einen Wertgutschein und können diesen sofort im Laden wieder einsetzen.“ Dabei sei es ein gern gesehener Nebeneffekt, dass Kunden die ein Altgerät verkauft hätten, beim anschließenden Neukauf dazu tendierten, mehr Geld auszugeben.
Partnerprogramm steht auch unabhängigen Händlern offen
Das Partnermodell von Flip4New richtet sich nicht ausschließlich an große Handelsketten, sondern steht auch unabhängigen Händlern offen. Der Re-Commerce-Anbieter hat dafür ein eigenes Ankaufsportal entwickelt, das Einzelhändler in die Lage versetzt, als stationäre Annahmestellen zu fungieren. Beispiele für solche Partnerschaften gebe es bereits im für das Re-Commerce-Geschäft besonders attraktiven Apple-Bereich. Dort arbeite Flip4New nicht nur mit dem Händler-Verbund CPN zusammen, sondern auch mit eigenständigen Apple-Resellern. Bei den Partnerschaften geht es in der Regel um keine White-Label-Lösung, sondern tritt Flip4New mit dem eigenen Namen in Erscheinung – der inzwischen bei Internet-affinen Kunden auch einige Markenkraft ausstrahlt. „Außerdem ist es so, dass das beim Ankauf entstehende Rechtsgeschäft immer zwischen dem Endkunden und Flip4New stattfindet und nicht mit dem Händler vor Ort“, erklärt Firmenchef Michael Sauer.
Die Partnerschaft mit Flip4New bedeutet für teilnehmende Händler mehr als nur eine simple Marketing-Maßnahme: „Zunächst haben wir für unsere stationären Partner eine spezielle In-Store-Software entwickelt, die diese beim Ankauf, bei der Bewertung des Altgeräts und dem dazugehörigen Vertragswerk unterstützt“, erklärt Sauer. Desweiteren stünden den Partnern komplette Logistik-Module zur Verfügung, mit welchen der Händler die Verpackung der Gebrauchtgeräte, die Erstellung von Versand-Labels und die Abholung in seinen Arbeitsfluss integrieren könne. Schließlich arbeite Flip4New mit seinen Partnern auch bei gemeinsamen Marketingaktionen zusammen, beispielsweise um die Kunden zur Markteinführung eines neuen Top-Handys gezielt anzusprechen. Je nach Größe der Partner stelle der Re-Commerce-Anbieter teilweise auch spezielle Materialien zum Marketing am POS, wie zum Beispiel Poster und Flyer, zur Verfügung.
Investition in die Partner zahlt sich aus
Nicht ganz trivial ist bei der Zusammenarbeit mit den Partnern die Bewertung der Altgeräte. „Für uns geht es darum, etwas das potenziell subjektiv ist, objektiv zu machen“, erklärt Sauer. So gebe es bei Flip4New Partnerbetreuungs-Manager, die sich dezidiert um die Aufschaltung und Schulung von Mitarbeitern im stationären Handel kümmerten. „Bei Gravis haben wir sogar eine spezielle Roadshow organisiert und in jedem Store die Mitarbeiter geschult“, erzählt Sauer. Der dabei betriebene Aufwand sei nicht nur für die Sicherstellung richtiger Gerätebewertungen nötig, sondern spiele auch für das Kooperationsmodell insgesamt eine große Rolle: „Unser Erfolg ist stark von der Akzeptanz und der Begeisterung der beteiligten Mitarbeiter abhängig“, erklärt Sauer. Ein Store-Mitarbeiter, der wiederholt zu hören kriege, dass er die Bewertung der Altgeräte nicht richtig mache, sei schnell demotiviert und werde nicht mehr viel Energie darauf verwenden, seinen Kunden das Angebot von Flip4New zu vermitteln. „Aus diesem Grund haben wir in den letzten Jahren viel in die Partnerschulung investiert“, so Sauer.
Dabei zahlt sich die Investition in das Partnergeschäft für das Re-Commerce Unternehmen aus: Über den stationären Bereich – sowie über die Online-Partner – laufe inzwischen ein signifikanter, im fortgeschrittenen zweistelligen Prozentbereich angesiedelter Teil des Geschäfts von Flip4New ab, erklärt Firmenchef Sauer. „Wir glauben fest daran, dass vor allem das In-Store Partnergeschäft ein sehr großer Wachstumstreiber für uns ist.“ Denn auch wenn die Dynamik im Onlinehandel rasanter sei, laufe doch noch der größere Teil des Handels in den stationären Geschäften ab. Die Zusammenarbeit mit den Partnern im Einzelhandel stellt für Flip4New hier die perfekte Möglichkeit dar, das Beste aus beiden Welten zu vereinen. Und an die Eröffnung eigener stationärer Annahmestelle habe das Unternehmen, wie Michael Sauer berichtet, bisher noch keinen Gedanken verschwendet.